Hier und Da. Notizen aus einem Land, in dem es stinkt.

nazimuell
Kann man Nazis wiederverwerten?

Ich habe langsam keine Lust mehr. Das kann doch echt nicht sein! Bin ich umgeben von Idioten? Umzingelt von Schlechtmenschhorden, die den letzten Rest Anstand und Moral, der durch ihre matschigen Denkorgane schlingerte, gegen ein paar Pullen warmen Fusel der Marke Extraübel eingetauscht haben? Ich schalte morgens das Radio an, und im Radio sagt ein Oberschlauer mit osteuropäischem Akzent, alle Fremden, die nach Deutschland kämen, täten das illegal, weil ihr Herkunftsland ja ein sicheres sei. Nur meint er mit Herkunftsland das letzte Land, durch das sie gereist sind, also Österreich zum Beispiel.

Da waren ja selbst die Monster in der Sesamstraße weiter. Die kannten den Unterschied zwischen Hier und Da. Die wussten, dass der Weg nicht automatisch das Ziel ist. Sie konnten ja auch bleiben, wo sie waren. Weggehen, also die Flucht egal wohin, wäre für die höchstens ein pädagogisch wertvolles Ziel gewesen. Denn über der Sesamstraße wurden nie Bomben abgeworfen. Und Autos, die plötzlich explodieren, parkten dort auch nirgends. So gesehen könnte die Sesamstraße in Sachsen liegen. Bevölkert von etwas schrulligen Wesen, aber total friedlich. Jedenfalls solange man ihnen nicht auf den Keks geht beziehungsweise einer ist.

Doch die Sesamstraße gibt es nur im Fernsehen. Im Farbfernsehen. Jedenfalls früher. Also im Westfernsehen. Das konnte man sogar im Osten sehen. Leider nicht in Dresden. Vielleicht haben die Menschen dort deshalb eine falsche Vorstellung vom Abendland, das es zu verteidigen gilt, weil sie nicht mit der Sesamstraße aufgewachsen sind. Wer als Kind fusslige Monster und sprechende Frösche liebt, müsste als Erwachsener doch immun sein gegen Gewalt und Hass.

Trotzdem, Dresden: Stadt der tausend Trümmer. Was Bomben anrichten können, sollte man in Dresden eigentlich wissen und wem sie die Einäscherung ihrer Altstadt zu verdanken haben, sowieso. Klar, der Engländer! Der Engländer war schuld! Ach, nein. Der Engländer ist ja nicht angeflogen gekommen mit seinen Phosphorbomben, weil er wie Grobi den Unterschied zwischen Hier und Da lernen wollte, sondern um die Deutschen daran zu erinnern, was gut und was böse ist.

Bis Mitte der vierziger Jahre waren die Deutschen eindeutig böse. Jedenfalls die, die von ihren feinen Volksgenossen nicht verjagt, erschlagen und vergast worden sind. Die, die übrigblieben, sind eh voll krass die Nazis gewesen. Was damals sicher niemand bestritten hätte, um nicht erschossen zu werden. Systemgegner verbargen lieber ihre Gesinnung und taten so, als liefen sie mit.

Lustigerweise stellte sich hinterher heraus, dass gar niemand Nazi gewesen ist in Großdeutschland. In Ostdeutschland noch viel weniger als hinter dem antifaschistischen Schutzwall. Hätte man sich den Hitlerzirkus ja auch sparen können. Von den Deutschen wollte nämlich niemand den totalen Krieg. Die haben bloß »Sieg Heil!« gerufen, nicht mehr bei Juden gekauft und ihre Nachbarn denunziert, weil es halt alle getan haben.

Vielleicht ist das mit Pegida genauso. Als irgendwann keiner mehr den rechten Arm gehoben hat, so auferstanden aus Ruinen, ist man eben zur Ersten-Mai-Kundgebung gegangen und hat sich spontan in jede Schlange eingereiht, weil am anderen Ende womöglich was Rares verkauft worden ist. Bananen, Schallplatten von den Rolling Stones oder Stonewashed-Jacken.

Heute folgt man eben denen, die am lautesten »Wir sind das Volk!« schreien. Wer wenn nicht sie oder wie? Mich befällt eher die Ahnung, dass dieses Volk da, diese bierblubbernde Brüllbande schon Argwohn hegt gegen die Bewohner des Nachbardorfes. »Wir sind der Stamm!«, wäre der ehrlichere Ausruf. »Wir sind der Stamm! Das ist unser Boden, den bald Euer Blut tränken wird.« Die Religionszugehörigkeit der Neuankömmlinge ist ihnen so egal wie die des vor dem Untergang stehenden Abendlandes. Einer Busladung schwäbischer Christen stünden die wohl genauso feindlich gegenüber. Umgekehrt wäre es vermutlich ähnlich.

Ich hab keine Lust mehr. Das kann doch echt nicht sein! Auch ich finde manchen Journalisten unglaubwürdig und manche Sender und Zeitungen schwierig, aber die Idee, dass irgendjemand auf Facebook oder einer Internetseite, die man nie zuvor besucht hatte, automatisch die Wahrheit sagt, bloß weil er einen Beweis für die Schlechtigkeit der anderen zu liefern vorgibt, ist ein bisschen so, als wäre Grobi Hier und Da am gleichen Ort, womit er das Raum-Zeit-Kontinuum aufgelöst und gleichzeitig Einsteins Relativitätstheorie widerlegt hätte. Was mich nicht wundern würde. Vom Nachweis der Gravitationswellen stand ja auch wieder nur was in der vom Mossad gelenkten Lügenpresse.

Nee, das funktioniert alles nicht. Natürlich sind das nicht bloß die Sachsen, die da rumpöbeln, aber sie sind dank ihres auffälligen Idioms am besten herauszuhören aus der anschwellenden Schreigemeinschaft. Und die Polizisten machen auch nur ihre Arbeit. Dabei würden sie viel lieber mit denen, die da pöbeln, ein Bier trinken oder auch zwanzig, denn die Islamisten, die sie beschützen müssen, sind ja abstinent.

Und die Politiker, die – würden ihnen das selbst ernannte Volk noch glauben – dafür sorgen könnten, dass das alles nicht passiert, schütten lieber Brandbeschleuniger über die angezündeten Notunterkünfte. Sprechen wie der Vizekanzler von »Pack«. Oder sagen, wie der sächsischen Ministerpräsident, diese Pöbler, die den Bus voll Geflüchteter stundenlang an der Weiterfahrt gehindert haben, seien gar keine Menschen, sondern Verbrecher, so als ob ein Verbrecher kein Mensch wäre. Das ist wie damals, als die DDR ihren Bürgern beibrachte, den Zweiten Weltkrieg hätten nicht die Deutschen verloren, sondern die Faschisten und die würden ja jetzt in der BRD den Dritten Weltkrieg vorbereiten.

Mit solchen Leuten will man ja auch nichts zu tun haben. Das ist von vornherein Zeitverschwendung. Da höre ich doch lieber dem Gras beim Wachsen zu als noch irgendwelchen Nachrichten, die mich entweder deprimieren oder anwidern, in letzter Zeit meistens beides. Pflanzen sind weitaus stimmungsaufhellender.

Wobei. Aus Sumatra kommt der Titanenwurz, dem alle sechs Jahre ein riesiges Blatt wächst, das im Herbst wieder abfällt. Keine schöne Pflanze, wie man sich vorstellen kann. Der Titanenwurz wird auch »unförmiger Riesenpenis« genannt. Unvorstellbar aber muss sein Geruch sein. Angeblich der intensivste der Welt und zugleich der schlimmste, ein extremer Aasgestank, der vor allem anziehend ist auf Schmeißfliegen.

Wie wär’s, wenn überall dort, wo eine Unterkunft für Geflüchtete angezündet wurde, so ein Titanenwurz gepflanzt würde? Oder nein, noch besser: wir pflanzen sie vor die Häuser der Täter. Leider haben wir nicht ihre Adressen. Aber was ist mit den Leuten, die vor den brennenden Häusern stehen und applaudieren? Die ihre Autos so parken, dass die Feuerwehr nicht durchkommt?

All denen wünsche ich so eine Stinkepalme vor die Tür, einen reifen, ausgewachsenen »unförmigen Riesenpenis«. Diese Volksgenossen berufen sich ja auf den jämmerlich gescheiterten größten Kriegsverlierer aller Zeiten, der – laut jüngsten medizinischen und vom Boulevard beglaubigten Expertisen – äußerst karg ausgestatten gewesen sein soll. Dass ihm nur ein Ei im Hodensack hing, wissen wir ja schon länger, jetzt wird zudem bekannt: Der Führer hatte einen deformierten Mikropenis. Um den zu kompensieren, reichten kein Porsche und auch kein Panzer. Da musste vielmehr eine ganze Armee her.

Jetzt also die Stinkepalme. Womöglich ist das mit dem Geruch völlig übertrieben, eine botanische Propagandalüge. Denn, na klar, ich weiß von der Pflanze aus dem Radio. Und selbst wenn das stimmt und wir hier alle fluchtartig den Raum verlassen würden, sollte in unserer Mitte so ein »unförmiger Riesenpenis« wachsen, hätte das bei den besorgten Bürgern wahrscheinlich keinen Sinn. Und seinen Sinn fürs Menschliche hat so ein gefühlloser Verteidiger des Abendlandes sowieso längst verloren. Der riecht nichts mehr, so sehr hat er sich an die braune Scheiße gewöhnt, in der dieses Land gerade zu versinken droht, wenn nicht endlich jemand an der Spülung zieht.

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