Kein Barackgebäck in der Backbaracke

Wollte mir vorhin einen Amerikaner kaufen. Im Backshop. Dachte, das muß mal sein. Mal wieder. Und gerade jetzt. Wo wir doch alle Obama sind. Wo es hierzulande sicherlich nicht wenige gibt, die lieber vom amerikanischen Präsidenten regiert werden würden, als von der lahmen Ente aus der Uckermark, aber nur solange, bis Uncle Sam dann Leute einsammelt, um den nächsten Krisenherd auszuräuchern. Ich tippe auf Alaska, denn von da aus kann man – wie wir dank Gouvernante Palin Palin wissen – bis nach Rußland gucken.Als Kind mochte ich Amerikaner voll gern, aber ich komme ja auch aus Westberlin, da war das quasi eine historische Verpflichtung, und so hatte ich auch schon frühzeitig was fürs Leben gelernt, denn was man liebt, das soll man fressen. Gefühle hat man nun mal im Bauch und nicht im Herzen, diesem unansehnlichen Gnubbelmuskel. Wobei so ‘n Magen ja jetzt nicht gerade besser aussieht. Nur kommt es schließlich auf innere Werte an, und da ist ein Magen einem Herzen nun doch vorzuziehen, jedenfalls in Mitteleuropa.

Ich bin dann trotzdem Vegetarier geworden. Mich lassen Hamburger, Wiener, Krakauer und so weiter kalt. Und daß ich Pfannkuchen essen darf und keine Berliner, das ist ja auch ganz gut, Selbstzerfleischung liegt mir nicht. Denn Berliner werden nur außerhalb Berlins gegessen. Kein Wunder, daß Berliner nicht so gerne reisen. Doch was hat man damals wohl in Adenauers Wessiland gedacht, als Kennedy behauptete, er sei ein Berliner? Isch bin eine Pfannekuchen. Und Lee Harvey Oswald wollte sich vielleicht auch nur einen Donut schießen. Schließlich sind Donuts nichts anderes als freilaufende Berliner, vulgo Pfannekuchen, die eben geschossen werden müssen, sieht man doch schon an dem Loch in der Mitte. Amerikaner dagegen sind ja eher flach, ziemlich plattgesessen, vielleicht heißen die ja deshalb so: Eigentlich war’s ein ganz normales Stück Sandkuchen, und dann hat sich ein Ami mit seinem dicken, fetten Hintern darauf bequem gemacht, da gab’s nicht mehr viel zu kitten, da konnte man höchstens noch mit Zuckerguß die Oberfläche beschönigen. Der Zuckerguß ist schwarz oder weiß, oft auch halbehalbe. Ich aber wollte mir aus aktuellem Anlaß einen rein schwarzen Amerikaner gönnen, sozusagen einen Afroamerikaner, einen Obamaburger, yes, we can das backen, as a freedom frie, I take pride in the words: Isch bin ein… Splitterbrötchen! Denn ja, Splitterbrötchen sind an den Backshoptheken dieser Stadt ähnlich uncool geworden wie Amerikaner. Das mag sich jetzt wieder ändern, doch wer vor kurzem einen Amerikaner bestellte, machte sich doch verdächtig, etwas gegen Terroristen zu haben und Krieg gut zu finden. Und Splitterbrötchen! Wer da nicht automatisch an Bombenkrieg, Gedächtniskirche und Führerbunker denkt, der ist nicht in der Frontstadt aufgewachsen, der kennt Westberlin nur vom Bahnhof Zoo her, wo man früher ausgestiegen ist und sich besser nicht umgedreht hat, weil es nicht schön war, was sie mit den Koffern anstellten, die sie einem gerade abgenommen hatten.

Wem heute sein Gepäck abhanden kommt, der kann ja mal zum Flohmarkt auf dem John-F.-Kennedy-Platz fahren, genau, der ist vorm Rathaus Schöneberg, von dessen Balkon aus der Namengeber eben dieses Platzes zu allen Bewohnern Westberlins gesprochen hat. Und alle haben nur Pfannkuchen verstanden, dabei heißen Berliner Pfannkuchen außerhalb Berlins gemeinhin Eierkuchen. Kompliziert, wa? Von ›Friede, Freude, Eierkuchen‹ konnte früher nicht so die Rede sein, trotz Kennedys Rede, die ihm ja auch nicht mehr viel gebracht hat, denn ein paar Monate später konnte er genausoviel reden wie ein Pfannkuchen, nämlich gar nicht mehr.

Und heute? Heute schickt sich Obama an, ähnlich populär zu werden wie weiland Kennedy, und auf dem John-F.-Kennedy-Platz in Berlin, diesem ehemaligen Weltplatz, auf den die Völker der Welt schon lange nicht mehr gucken, sondern sich höchstens zwischen Flohmarktständen herumdrängeln, verkaufen sie den größten Plunder der siebziger und achtziger Jahre. Die Neunziger sind hier noch nicht angekommen. Fehlanzeige genauso in bezug auf Plunderteilchen. Plunderteilchen mochte ich ja nie so gern, das klingt so nach Resteverwertung, aber ich kann mich auch gar nicht mehr daran erinnern, ob es so was früher überhaupt schon gab. In Westberlin buk man wahrscheinlich ausschließlich Amerikaner und Splitterbrötchen. Der Rest, den wir so zum Leben brauchten, wurde bekanntlich aus Flugzeugen abgeworfen, nämlich Rosinen und Bomben. Und wir haben uns nicht beklagt, nein, niemals.

Ich habe mich heute aber schon beklagt, denn wo ich so im Backshop stehe und auf die Auslage sehe, entdecke ich zwar eine Riesenansammlung an Amerikanern, lauter mit Zuckerguß glasierte ufoartige Gebäckstücke, aber der Zuckerguß war weiß! Ja, was sollte denn das? Hallo? Warum hatten die denn kein Barackgebäck in ihrer Backbaracke? Ich habe die Backshopfachverkäuferin gefragt, ob das hier so ‘ne McCainbude sei, doch sie sagte nur: Tiefkühlprodukte führen wir nicht, aber Pommes kriegnse gegenüber.

Ich wollte dann ein Splitterbrötchen erwerben, um damit die Scheiben des Backshops einwerfen zu können, hatte aber nur einen Fünfziger dabei. Doch als ich den hochhielt und die Fachkraft fragte, ob sie wechseln könne, schaute sie mich an, als würde sie mich nicht verstehen, weshalb ich international wurde und fragte: Change? Sie jedoch sagte mitnichten: Yes, we can! Nee, sie sagte: This is not America. Und über diese Ansage war ich dann doch ganz froh.

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