Die Piccolomini-Bibliothek im Dom von Siena ist mit Fresken ausgemalt, die das Leben von Papst Pius II. nacherzählen. Der hat im 15. Jahrhundert gelebt und gilt als bedeutend. Das gleiche kann man von Kirche und Fresken sagen. Heiliggesprochen wurde Pius II. nicht. Das hat ihm ein anderer Papst deutlich voraus, obwohl der 515 Jahre jünger war.
Und nicht ganz ein Jahrzehnt nach seinem Tod wurde Johannes Paul II. bereits heiliggesprochen. Das ist mal eine Karriere! Er war ja auch ein Guter, der Karol. Quasi im Alleingang hat er den Kommunismus mürbegebetet. In seiner Heimat Polen und vor allem in Krakau, wo seine Karriere begann, ist man mächtig stolz auf ihn, weshalb er allgegenwärtig zu sein scheint. Überall lächelt er einem von Fotos, Gemälden und auch als Statue entgegen. Der Krakauer Flughafen trägt ebenfalls seinen Namen, was passt, Johannes Paul II. war ja viel unterwegs. Nickname: Reisepaule. Aber anstatt, dass er froh war, dem Himmel so nah zu sein, hat er nach jeder Landung den Boden geküsst. Von den nach Krakau Reisenden wird Derartiges nicht verlangt, obwohl es manchem nach einem Flug in der Propellermaschine aus Berlin vielleicht angebracht erscheinen mag.
In Łagiewniki, einem südlichen Vorort Krakaus, bauen sie gerade das Centrum Jana Pawla Drugiego (so die polnische Version von Karol Wojtyłas Papstnamen). Aus der Ferne wirkt die auf einem Hügel thronende Kirche italienisch, ist aber schön deutsch verklinkert. Der Innenraum dieses Sanktuariums erscheint als ein Traum in Weiß und Gold. Großflächige Mosaiken zeigen Szenen mit Jesus, Maria und dem polnischen Papst. In einer Seitenkapelle wird die blutbefleckte Soutane ausgestellt, die er getragen hat, als er 1981 bei einem Attentat auf dem Petersplatz schwer verletzt worden ist. Die Einschusslöcher sind gut zu erkennen.
Das Centrum Jana Pawla II. ist das Prestigeprojekt des Erzbistums Krakau (hier ein fetziges Werbefilmchen von 2013). Finanziert wurde es u.a. durch den Verkauf von Kremowka papieska, Sahneschnitten, die der Papst besonders gerne aß. Herzstück des Gebäudekomplexes aus Museum, Kongresszentrum und Herberge ist die Reliquienkirche. In deren Keller befindet sich eine achteckige Unterkirche, die mit Ölschinken geschmückt ist, auf denen Szenen aus dem Leben Johannes Pauls II. dargestellt sind, unter anderem auch eine innige Begegnung mit seinem Nachfolger Kardinal Ratzinger. Was ist dagegen schon die Piccolomini-Bibliothek in Siena?
Einen Hügel weiter befindet sich das Kloster der Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit. Die Nachbarschaft ist mit Bedacht gewählt. Das Kloster gilt als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Polens, wenn nicht gar der Welt. Zusammen mit dem Centrum Jana Pawla II. entsteht hier ein katholischer Erlebnispark mit Busparkplätzen und Pilgergaststätten.
In dem Kloster ist die Nonne Maria Faustyna Kowalska jung an Tuberkulose gestorben. Sie stand im regen Austausch mit Jesus Christus, der ihr 1931 mit leicht geöffnetem Gewand erschien ist. Zwei Strahlen gingen von seinem Herzen aus, ein blasser und ein roter. Diese stünden für seine Barmherzigkeit. Er beauftrage Faustyna, dieses Bild visuell festzuhalten. Erst griff sie selbst zu Pinsel und Farben, suchte aber alsbald nach professioneller Hilfe. Nachdem sie zunächst auf wenig Verständnis gestoßen war, fand sie in Vilnius einen Beichtvater, der den Kunstmaler Eugeniusz Kazimorowski mit der Ausführung beauftragte.
Umgesetzt wurde ihre Vision dreimal. Am bekanntesten ist die Version von Adolf Hyła. Sie entstand 1943 – da war Faustyna bereits fünf Jahre tot – und hängt unzählbar oft kopiert in Kirchen und Privathaushalten auf der ganzen Welt. In Łagiewniki gibt es sogar eine bronzene Fassung in 3D.
Und natürlich war es Kardinal Wojtyła, der 1965 den Prozess der Seligsprechung eingeleitet hat. Als Papst konnte er Faustyna 2000 dann heiligsprechen. Seit 1966 beherbergt die Klosterkirche ihre sterblichen Überreste. Darüber hängt das Gemälde Adolf Hyłas und davor, unter Glas, ruht eine Reliquie Faustynas. Die Gläubigen knien nieder, küssen das Glas und wischen mit dem bereitliegenden Tüchlein anschließend drüber. Die Schlange ist mitunter lang.
Um den Ansturm von jährlich zwei Millionen Besuchern bewältigen zu können, wurde neben das Kloster eine gewaltige Kirche gestellt. Der Neubau hält neben der Kirchenhalle auch mehrere klassenzimmergroße Kapellen bereit. Hier können dann die verschiedenen Pilgergruppen unter sich bleibend beten. Es gibt einen Aussichtsturm und eine überdachte Freiluftkanzel, von der nach Johannes Paul II. auch Benedikt XVI. gepredigt hat. In einer Vorhalle sind Fotos von diesen Massenmessen ausgestellt. Mich beeindruckt eine solche Gläubigkeit durchaus. Die Piccolomini-Bibliothek trotzt mir dennoch mehr Ehrfurcht ab.