Nach manch Landverschickung hat man mich diesmal in eine Stadt geholt, vorsichtshalber allerdings eher auf einen Hügel am Rand der Stadt, wo ich jetzt also residiere, nämlich in der Villa Decius bzw. im Haus hinter der Villa Decius. Und die steht in Krakau bzw. am Rand von Krakau, was gut ist, denn so wohne residiere ich im Grünen, bin aber schnellstens in der Innenstadt. Es gibt sogar einen Schleichweg fern des Autoverkehrs, der einsamer wirkt als so mancher Pfad in der norddeutschen Tiefebene und schwuppdiwupp grüßen mich, den Kinderfahrradfahrer, die drei Türme vom Rynek Główny.
Krakau ist übrigens deutlich velophiler als gedacht. Man kann herrlich an der Moldau Weichsel entlangradeln und durch die zahlreichen Grünanlagen im Zentrum.
In meiner zweiten Woche vor Ort habe ich eine größere Anzahl religiöser Gebäude besucht, was bei der augenblicklichen Hitze auch angesagt ist (in Gotteshäusern behält man einen erstaunlich kühlen Kopf, Fanatiker scheinen zu selten davon Gebrauch zu machen). Wegen der vielen Bilder neige ich zur katholischen Gepflogenheit, für Gott zu werben. Die meisten Synagogen sind mir echt zu nüchtern. Blödes Bilderverbot.
Etwas enttäuscht bin ich vom hiesigen Devotionalienangebot. Ich suche immer noch den Herz-Jesus-Kugelschreiber, dessen roter Kern zu pulsieren beginnt, sobald man damit schreibt. Falls es den überhaupt gibt. In dem kleinen, etwas versteckt liegenden Shop neben dem Krakauer Franziskanerkloster kann man aber für wenig Geld den persönlichen Grundbedarf an Heiligenbildchen decken. Mit erbaulichen Sprüchen versehene Postkarten vom letzten polnischen Papst und vormaligen Krakauer Erzbischof Karol Wojtyła gibt es dort auch zuhauf.
Zielsicher wie ich bei Trash nicht mit kunstkritischen Kriterien zu begegnenden Werken bin, habe ich nicht nur eine zweifelhafte Jesusdarstellung erworben, die ich danach gleich zweimal als großformatiges Gemälde in Kapellen großer Krakauer Kirchen wiederfand, sondern auch einen Kühlschrankmagneten von Swieta Rita, die keinesfalls eine Metermaid ist, sondern meine neue Lieblingsheilige. Denn seit heute weiß ich, dass sie zuständig ist für alle aussichtslosen Fälle. Aber sie hilft zudem bei Examensnöten (ob da ein Zusammenhang besteht?) sowie gegen Pocken (Angstpickel?). Und sie ist die Patronin der Wursthersteller. Ich kann mein Glück noch gar nicht fassen!
Freunde des Haptischen werden in Krakau am Wunderwasserbecken des echt Krakauer Heiligen Stanislaus fündig. Eigentlich. Denn nicht nur diverse Bäche weisen einen bedenklichen Tiefstand unterhalb der Feuchtigkeitsgrenze aus, selbst das vor der Kirche Auf dem Felsen befindliche Becken mit dem Woda św. Stanisława ist fast ausgetrunken. Kein Wunder, gilt es doch als reich an Makro- und Mikroelementen. Na, dann Prost!
Es war aber auch ein heißer Tag!
Mein Aufenthalt im Kaufhaus Jubilat (nur echt mit herrlichem Ostblock-Charme) ließ das Außenthermometer noch einmal um einen halben Punkt steigen.
Selbst als ich direkt davor stand, hörte das nicht gleich auf.
Nachtrag vom 28. August
Inzwischen kenne ich den Hintergrund zu dem in mehreren Kirchen Krakaus hängenden Gemälde von Jesus, dessen Herzen zwei verschiedenfarbige Strahlen entweichen, ergänzt durch die Worte: »Jezu, ufam Tobie!« (Jesus ich vertraue auf Dich!«) Es entstand nach Vorgaben der Mystikerin Maria Faustyna vom allerheiligsten Sakrament, die damit einen Auftrag ihres Herrn erfüllt hat. Seit 1924 hat sie in einem Kloster im Süden Krakaus gelebt, wo sie 1938 gestorben ist. Ursprünglich wollte sie das Bild selber malen, was ihr nicht so recht gelang. In Vilnius ließ sie ihre Vision schließlich von dem Maler Eugeniusz Kazimirowski auf Leinwand bannen. Dort hängt das Bild auch heute. In den vierziger Jahren fertigte Adolf Hyła eine Neuinterpretation an. Kopien davon sind in zahlreichen Kirchen Polens zu bewundern.
Faustyna wurde 2000 von Johannes Paul II. heiliggesprochen. Das Sanktuarium Bożego Miłosierdzia ist einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Polens. Hier befindet sich auch das Centrum Jana Pawla II, wo die aufgrund des Attentats von 1981 blutverschmierte Soutane des polnischen Papstes sowie eine Ampulle mit seinem Blut als Reliquien zu sehen sind.
Über meinen Besuch in Łagiewniki schreibe ich hier.