Jetzt bin also auf dem Land angekommen. Und es ist herrlich! Die Sonne scheint freundlich durchs Fenster rein, direkt auf das Butterstück, und ich habe meine frischen Semmeln in Streifen geschnitten und tunke einen nach dem anderen in mein Ei, das noch weicher ist als die Butter. Seitdem ich Eier auf diese französische Art esse, mag ich sie am liebsten so flüssig. Dazu höre ich WDR5, denn Deutschlandradio ist hier kurz vor der holländischen Grenze kaum und dann auch nur nachts empfangbar. Aber WDR5 kommt der erhabenen Stimmung, die mich morgens meistens umfängt, sehr zupaß. Erst wurde in einem Zeitzeichen über die Gründung der Sex Pistols referiert, aber so, daß möglichst wenig von der Musik zu hören war. Die knappen Ausschnitte wurden zudem mit den deutschen Übersetzung zugequatscht. „Gott schütze die Königin und ihr faschistisches Regime“ und so. Und danach konnten sich Anrufer über Alkohol konsumierende Jugendliche echauffieren. Ich finde das ja auch schlimm. Trinken uns den Stoff weg und können später nicht mal für unsere Gesundheitsversorgung schuften.
Durchs Fenster strahlt nicht nur die Sonne, nein, auch die gute Landluft strömt ins Zimmer, herzhafter Dungduft. Jedes zweite Fahrzeug, das mich auf meiner ersten Erkundungstour mit einem der hier herumstehenden gurkigen Fahrräder überholt hat, schien ein Gülletanker zu sein. Aber dann bog ich einfach ab ins Feld und stand direkt vor zwei flauschigen Eseln und drei weniger flauschigen Schweinen. Laut Wikipedia befinde ich mich am Ort mit der höchsten Schweinedichte im Kreis Borken. Auf diesem Foto allerdings ist die Eseldichte noch mal um das Doppelte höher!
Abgeschieden von der Zivilisation bin ich freilich trotzdem nicht. Hier gibt es nicht nur die obligatorische Filiale von Schlecker (was ja heutzutage eine ähnliche Funktion hat wie früher eine Kirche, denn nur Siedlungen mit einer solchen spätkapitalistischen Institution dürfen ein gelbes Ortsschild neben die Landstraße pflanzen, sonst muß das grüne reichen), nein, direkt gegenüber von dem alten Bauerngehöft, in dem ich nun eine Weile wohnen werde, um ungestört herumzukünstlern, befindet sich der Parkplatz eines großen Supermarktes, welcher freitags und samstags sogar bis 21 Uhr geöffnet hat. Das sind bessere Einkaufsbedingungen als zuhause in Berlin. Das Warensortiment regt zu Rückschlüssen auf die hiesigen Ernährungsgewohnheiten an: riesige Fleischtheke, kleine Käsenische (jaja, wir sind nun mal in Westfalen), die Kaffeeauswahl ist eher beschränkt (dafür ist die Fairtrademarke genauso teuer wie die drei anderen Sorten, die nicht von Melitta und Hag sind). Tomatenkonserven gibt’s nur in der Luxusausgabe, dafür hat’s hier aber einen ganzen Gang für Tütensuppen und Artverwandtes.
Das Bemerkenswerteste am Schöppinger Berg ist, daß er eigentlich gar kein Berg ist, wobei man natürlich berücksichtigen muß, daß das Land hier extrem flach ist. Darüber streicht dann auch gewiß manch strammer Wind, dessen Verwertung indes gewährleistet ist.
Dürfte ich einen Preis für das originellste Straßenschild des Tages vergeben, dies hier wäre gewiß in der Endauswahl. Ich finde nämlich total wichtig, daß vor so etwas gewarnt wird, weil ja allgemein bekannt ist, daß Kinder, die für ihre Radfahrprüfung üben, extrem unberechenbar sind und schon auch mal austesten, ob sie gleich die Zusatzprüfung Kunstfahren ablegen sollten. Und ein Kind, das nur mit einem Bein auf seinem Sattel steht, könnte durchaus eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen.