Vergriffen

vogelbuchIch war mir nicht mehr sicher, an welchen Tag Ende Juni es genau war, doch eben habe ich nachgeschaut und tatsächlich: Genau heute vor zehn Jahren glaubte ich, es würde losgehen, denn am Abend des 27. Juni 1997 wurden mir die ersten zehn Exemplare meines ersten Buches überreicht, bevor ich dann als mit anderen, unveröffentlichten Jungautoren im längst todsanierten Kulturhaus Mitte einen Text daraus las. In der taz stand hinterher was von einem „kabarettähnliche[n] Vortrag“, der Höhepunkt der Lesung gewesen sei. Weitere freundliche Artikel folgten, der Freund einer Frau, die über das Buch für die Junge Welt schreiben sollte (und es dann auch tat), rief an, die Bildzeitung auch und irgendwie fühlte sich alles sehr gut an. Irritiert war ich erst, als mir Bekannte berichteten, Buchhändler hätten meinen Namen nicht im Computer gefunden. Amazon und so was gab es damals noch nicht, dafür aber einen gewissen Thilo Bode und Leute, die Handschrift nicht lesen können, so daß mein Büchlein einem anderen zugeschrieben wurde. Da halfen auch kein Tips in Stadt- und Lifestylemagazinen, das Buch verschwand bald im Lager, und ein unangenehmer Typ, der eigentlich für den Verlag arbeitete, veröffentlichte in Leipzigs Neuer ein unautorisiertes Interview mit mir, das die unerhörte Überschrift „Meine Generation hat, was Deutschland betrifft, nichts zu bewältigen“ trug, was ich, sollte ich das tatsächlich gesagt haben (Tonaufnahmen gibt es von dem Gespräch nicht), niemals so gemeint haben kann, weil es natürlich nicht stimmt. Später erschien von ihm noch ein Verriß des Buches in einer eigentlich unbedeutenden Literaturzeitschrift, der aber bei Google immer noch ganz vorne auftaucht, wenn man nach mir sucht. Darin wurde be- bzw. verurteilt, daß ich aus Westberlin komme und in meinen Texten angeblich das dortige Lebensgefühl junger Menschen abgebildet hätte, was natürlich Quatsch ist, weil ich mich damals nur wenig für die Realität interessiert habe, was wohl das eigentliche Manko des Buches ist.

Nun ist es sowieso seit Jahren vergriffen. Wenn der Verlag wirklich alle zweitausend Exemplare verkauft hat, schuldet er mir noch immer Geld, aber da der Verlag inzwischen einen anderen Namen trägt und mir lediglich regelmäßig Reklame zusendet, habe ich mich damit längst abgefunden. Schade nur, daß das Buch nur antiquarisch als Sammlerstück für Wucherpreise ab 25,- Euro erhältlich ist, das ist das Dreifache des Originalpreises und nun wirklich zu viel dafür ist.

Er ist „grad mal 24“, hieß es bei der Buchbesprechung auf Radio Fritz. Damals waren junge Autoren noch Anfang dreißig. Es hat sich einiges verändert in den letzten zehn Jahren. Auch bei mir. Ich bin zum Beispiel dicker geworden. Und selbst Anfang dreißig liegt hinter mir. Ich habe vor zehn Jahren ein längst vergriffenes Buch veröffentlicht und im Rücken zirka drei Schubladen voller ungedruckter Manuskripte.

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