Bereits von Berufs wegen ist mir mein sprachlicher Ausdruck wichtig, und ich schätze es auch, wenn andere Menschen ihre Sprache beherrschen, doch ist niemand perfekt, und wenn es Leute gibt, für die etwas wirklich Sinn macht, dann kann ich damit gut leben. Ich verstehe, was sie meinen. Wenn es mir nach gutem Ausdruck geht, kaufe ich mir neuen Toner oder lese ein gepflegtes Buch, mein Tagebuch zum Beispiel. Es wäre nicht dagegen einzuwenden, wenn ein neues Bewußtsein für die Sprache entstünde, weil Menschen im Internet Texte lesen oder sogar auf dem Sofa Bücher, die den Umgang der Deutschen mit dem Deutschen thematisieren. Ich habe nur etwas dagegen, wenn sich Leute darüber amüsieren, wenn jemand sprachliche Fehler macht, Adverbien unzulässigerweise beugt, den Konjunktiv Zwei falsch benutzt oder einen Apostroph für ein Akzentzeichen hält oder zwischen zwei Buchstaben klemmt, die vom Duden her eigentlich eng miteinander verbunden sind. Das ist ein bißchen so, als lachte man einen Mann ohne Beine beim Überqueren der Straße aus. Dabei sollte man lieber vorsichtig sein, so’n Bein ist rasch ritschratsch ab, ein Grammatikfehler schnell ausgesprochen. Wobei es natürlich eine Sache ist, ob man es von sich aus zum Lachen findet, wenn jemand offensichtlich behindert ist, oder ob man erst darauf hingewiesen werden muß. Die meisten sprachlichen Fehler blieben selbst einem Großteil der Bevölkerung mit funktionierenden Synapsen vermutlich unerkannt, weil sie selbst ein deformiertes Sprachbewußtsein haben, gäbe es nicht immer irgendwen, der sie darauf hinwiese. Guck mal, haha, der kann nicht mal schreiben! Ich verstehe, daß es jemanden Pein bereiten kann, immer wieder die gleichen Fehler sehen zu müssen, und es wäre wünschenswert, wenn es diesem jemanden gelänge, seine Mitmenschen dazu zu bringen, diese Fehler in Zukunft zu unterlassen. Klappt ja in der Schule auch schon super, weshalb jährlich zigtausend perfekte junge Menschen ins Berufsleben entlassen werden. Geht es dem Fehlerfinder jedoch sowieso nur darum, mit dem Unvermögen anderer Lacher zu provozieren, wird er die Lachenden zwar erfreuen können, aber gewiß nicht bekehren beziehungsweise belehren. Das ist wie wenn ein zu Gehässigkeiten neigender Lehrer bei der Rückgabe einer Klausur sich genüßlich an den Fehlern eines schwachen Schülers delektiert und dabei dessen Klassenkameraden amüsiert. Sich an den Fehlleistungen anderer zu erfreuen ist das eine, daraus Profit zu schlagen noch etwas ganz anderes. So etwas machen Menschen wie Dieter Bohlen. Und eben auch jemand wie Bastian Sick. Ja, genau, Bastian Sick, der Bestsellerautor, dessen sogenannte Sprachpflegerkolumne Zwiebelfisch zum besseren und sorgfältigen Umgang mit dem Deutschen animieren soll. Und gemäß den Verkaufszahlen seiner daraus entstandenen Bücher müßte in diesem Land ein derartig guter Umgangston herrschen, daß selbst eine Fernsehsendung wie Frauentausch zumindest im sprachlichen Niveau dem ZDF Nachtstudio in nichts nachstünde. Und Bastian Sick verkauft ja nicht nur Bücher. Er tourt auch durch die Hallen dieser Republik, Programmtitel: »Happy Aua«. Aua, da bekomme ich Kopfschmerzen von, aber egal. Natürlich sind falsch beschriftete Plakate und Schilder doof, man fragt sich auch, ob nie jemand auf so was guckt, bevor es ins Preßwerk kommt, und trotzdem ist es wirklich das allerallerletzte, sich über Menschen, die Fehler machen, so dermaßen zu erheben, als sei man fehlerfrei wie Jesus. Und dann auch noch ein Unterhaltungsprogramm damit zu gestalten, das ist doch so was von schlechter Oberlehrerstil, das geht doch gar nicht! Aber die Leute gehen hin. Letzte Woche: Mario Barth, nächste Woche: Bastian Sick. Lachen befreit, man amüsiert sich vielleicht mitunter sogar über sich selber. Ja, genau so bin ich auch und meine Freundin steht wirklich immer stundenlang vorm Spiegel und weiß nicht welche Handtasche zu ihrer Lippenstiftfarbe paßt. Und, haha, den Grammatikfehler kenn ich von mir selber, werd ich wohl nie lernen, ha, sich mit der deutschen Sprache zu beschäftigen, das macht echt Sinn. War voll der Fun heute Abend!
Am 20. Februar um 14:58 erreichte mich folgender Kommentar von Konrad Endler:
Hallo Thilo – wie sagt man… Full ack! Dieser Zwiebelfisch-Fritze ist mir ebenfalls ausgesprochen unsympathisch. Letztens habe ich mir trotzdem im Fernsehen seine „Show“ angesehen. Den meisten seiner Kommentare zu den Fehlleistungen nicht ganz so sprachbegabter Mitmenschen fehlte jedes hinnehmbare Niveau. Die eine Hälfte ging unter die Gürtellinie, die andere setzte Sprachbegabung mit Bildung gleich, – das alles zu Themen wie „Flugbegleitung“, „Bahnhofsansagen“ oder „Friseurschaufenster“. Und in jedem Satz schleimte dieser schmunzelnde Dünkel mit, wie man ihn von manchen Comedians kennt, die im Publikum nach Verbündeten suchen. Das klappte zwar hervorragend, aber auf jeder Veranstaltung, die sich seriös mit Sprache auseinandersetzt, wäre er durchgefallen. Nachdem ich während einer halben Stunde Zwiebelfisch nur ein einziges Mal gelacht hatte – und zwar bitter – hab ich mir lieber die Sendung über Nacktmulle angesehen. Grüße Konrad