Post von der Zeit

zeitbriefDr. Rainer Esser hat mir einen Brief geschrieben. Der liegt schon eine Weile im Papierchaos auf meinem Schreibtisch, ich habe ihn gerade wiedergefunden und endlich geöffnet. Dr. Rainer Esser ist Geschäftsführer des Zeitverlages. Offenbar geht es dem Unternehmen nicht gut. Deshalb vertickt es nicht nur seine dicke Zeitung, sondern auch den »ZEIT-Kulturführer«, der mich in »5 großformatigen Bände mit je 864 Seiten die ganze Welt der Kultur – Literatur, Oper, Schauspiel, Konzert und Malerei« erleben ließe. Wenn ich ihn denn bestellte. Für nur einhundertneunundachtzig Euken, wobei ich fast zwanzig Prozent sparte. Dazu bekäme ich noch eine Hörbuch-CD »Thomas Mann«, müßte keine Versandkosten zahlen und wenn ich mich beeile, erhielte ich zudem noch zehn Euken als »Treue-Bonus«. Dr. Rainer Esser weiß, daß neunundachtzig Euken nicht gerade wenig Euken sind, dafür bekäme man fast fünfzig Tage lang das Sarrazinmenü. Weiterlesen

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Das prekäre Dinner

Die BZ meldet, Finanzsenator Thilo Sarrazin habe seine Behörde einen Speiseplan erstellen lassen, „der zeigen soll, wie man als Hartz-IV-Empfänger mit dem Tagessatz von 4,25 Euro leben kann“, und hat diesen auch grafisch aufgearbeitet abgedruckt. Nun ist die BZ ein ziemliches Witzblatt und man sollte keine Informationen daraus ungeprüft für wahr halten, ich glaube es aber einfach mal. Erste Erkenntnis: Als Hartz-IV-Empfänger, der ich glücklicherweise nicht bin, hat man täglich Fleisch zu essen …  Weiterlesen

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Literatour zu LSD

literatourFür alle Literatur lesenden und schreibenden Menschen gibt es seit einiger Zeit den Literaturport Berlin-Brandenburg. Dort gibt es einen Veranstaltungskalender, ein Autorenlexikon, Wettbewerbstermine, Audiofiles mit Lesungen von teils noch unveröffentlichten Texten, und nun gibt es auch die Literatouren. Einige Berliner Autoren sind mit dem Fotografen Tobias Bohm im Schlepptau zu besonderen Berliner Orten gegangen und haben dann darüber geschrieben. Tilman Rammstedt, Bas Böttcher und ich haben den Anfang gemacht, weitere Autoren folgen im Laufe des Jahres, die nächsten bereits diesen Monat. Meine Tour ist eigentlich keine Tour, denn sie bewegt sich nicht von der Stelle. Ich beschreibe darin einen Abend bei LSD – Liebe statt Drogen und meinen Weg zu den Berliner Lesebühnen. Und anhören kann man sich das auch, die MP3 ist fast eine halbe Stunde lang, inklusive O-Töne.

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Wer säuft hat Recht

Spiegelonlein berichtet, Hugo Egon Balder plane eine Saufshow mit Prominenten. Die solle Der Klügere kippt nach heißen. Die Idee erinnert sehr an das Konzept von Max Goldts Radiotrinkerin. Direkt darunter findet sich die Meldung, in Ulm sei ein Orthopäde im Operationssaal betrunken zusammengebrochen, nachdem er einem Patienten ein neues Hüftgelenk eingesetzt hatte. Er habe abends Rotwein getrunken und nachts, weil er nicht schlafen konnte, noch ein paar Quittenschnäpse hinterhergekippt. Da er ja pflichtgemäß seiner Arbeit nachgegangen und erst dann zusammengeklappt ist, kann ich in diesem Geschichtchen nichts Skandalöses finden. Weiterlesen

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Bleiguß

blei1Bleigießen ist eine aufregende Sache, das Problem daran ist nur, daß es keine ernsthafte Deutungshilfe gibt. Zieht man die Beipackzettel von zwei verschiedenen Herstellern zu Rate, kann man schnell zwei komplett verschiedene Erklärungen bekommen, was ja reichlich unbefriedigend ist. Es gibt eben viel Scharlatanerie auf diesem Gebiet. Da wird einem schon mal weisgemacht, eine Eisenbahn stünde für die Abreise eines Freundes und eine Faust für Niedergeschlagenheit. Bloß was soll das überhaupt für eine Zukunftsvorhersage sein? Weiterlesen

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Nur eine Rolle

In der U-Bahn ein junger Bärtiger mit runder Brille und dunklem Zopf. Seine legere Kleidung ist grau und schwarz, aber auf dem Kopf trägt er einen grünen dreispitzigen Hut mit angedeuteter Patina, der eher auf die Theaterbühne oder einen Dreimaster paßt als Samstag abends in die U9. Er liest konzentriert in einem großformatigen Buch, das Zeichnungen von Segelschiffen enthält. Ich bin begeistert. Später sehe ich auf dem Einband, es ist ein Buch zum Rollenspiel Schwarzes Auge. Anerkennend stelle ich still fest, daß mein Gegenüber seine Rolle überzeugend verkörpert.

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Von der Tragik alter Männer

Beim Spiegel geht’s derzeit zu wie in einer Bananenrepublik. Sobald ein Despot in die Ferien fliegt, wird er entmachtet. So jetzt auch olle Matussek, den ich in den letzten Jahren erfolgreich ignorieren konnte. Auch sein Videoblog habe ich nie angeklickt, um nicht zu irgendeiner Quote beizutragen. Aber jetzt, wo er „eine Einzelzelle“ bekommt, „einen PC und eine Videokamera […], damit sich dieser Wahnsinnige in seinem Blog ausleben kann“ (so wird allerorts ein anonym bleibender Spiegelmensch zitiert), kann man ja mal einen Blick riskieren. Und was soll man da noch sagen: Matussek kocht heißt der neueste Beitrag und macht mich sprachlos. Weiterlesen

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HDGDL

goszablumenkastenEs gibt Lieder, die man nie wieder vergißt. Man hört sie vielleicht jahrelang nicht, sie gehören aber trotzdem zum persönlichen Soundtrack und können zu entsprechenden Gelegenheiten abgerufen werden. Einer dieser Songs geistert inzwischen seit fünfzehn Jahren in meinem Musikboxkopf umher, er stammt von der insgesamt wunderbaren CD Beckett & Buddha, eins der schönsten Alben der frühen neunziger Jahre, nur leider kennt kaum jemand die Künstlerin. Barbara Gosza hat nicht nur schöne Lieder geschrieben, sondern singt diese auch großartig mit dunkler und doch klarer, emotionsgeladener Stimme. „Sometimes I like to hate you“, heißt es zu Beginn jenes Liedes, das ich so liebe (und das meine auch wirklich so), „sometimes I like to hate you, how much I long for you, how much away“, und damit ist die Misere schon gut angerissen, die schließlich in dem Kehrreim „Like a heartbeat you belong to me“ gipfelt. Weiterlesen

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