„ich bin voll mit deinem Haar“

Mißverstandene Liedtexte werden ja gerne weitererzählt. Also tue ich das hiermit auch. Ich frag mich ja immer, ob es an meinen alterschwachen, durch Mißbrauch arg geschädigten Ohren liegt oder vielleicht doch an der schlechten Aussprache der Singenden. Manchmal mag es auch an der dem Metrum geschuldeten falschen Betonung (Klammerexkurs: Wer das Wort „Melodie“ auf der letzten Silbe betont und es auch noch so singt, als enthalte es zwei „l“, versteht nichts von Sprachmelodie!) liegen oder an der Wortverschleifung, damit ganz viel Aussage in einen Vers paßt. Ich jedenfalls habe seit einiger Zeit über die Refrainzeile „ich bin voll mit deinem Haar“ gerätselt, die in dem durchaus sympathischen Lied Die Stadt von Klee auftaucht. Ich hielt das für eine originelle Beschreibung des Zustands nach einem zweisamen Aufwachen, wobei der Angesungene inzwischen gegangen ist, während das singende Ich noch im Kissen verweilt, voll mit seinem Haar eben. Normalerweise sind fremde, von der Kopfhaut gelöste Haare eher nicht so appetitlich, aber die eines geliebten Menschen werden meistens akzeptiert. Ist man allerdings voll mit den Haaren eines anderen, trägt man entweder eine Echthaarperücke oder die geliebte Person leidet unter extremen Haarausfall leiden und wäre am Ende gar animalisch veranlagt. Alle das paßt aber nicht mehr so gut in einen Popsong (die Sache mit Claudias Schäferhund ist ja auch schon ins Kuriositätenkabinett der achtziger Jahre gewandert). Deshalb habe ich vorhin mal nachgeschaut, was Suzie Kerstgens da wirklich singt, und jetzt bin ich enttäuscht: „Die Stadt ist heute wie ein Song / Und ich bin voll mit Erinnerungen.“ Ich fand meine Variante besser, vor allem in bezug auf die Qualität der Liebeserklärung.

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