Bei den Mülltonnen steht ein alter, kaputter Koffer. Dem Reiseetikett zufolge war ein Mitglied der Familie Grass damit in Portugal. Vielleicht sogar Herr Günther persönlich, die Handschrift sieht allerdings eher weiblich aus. Der Koffer ist auch leer. Kein altes Manuskript steckt darin, nicht einmal ein Schnauzbarthaar. Dennoch soll Hausmeister P. erwogen haben, den Koffer an Literaturfreaks zu verkaufen. Weiterlesen
Alles
Eingekocht
Diese Tomatensoße habe ich wohl ein bißchen zu lange einkochen lassen:
Es half auch kein Schönreden. Nicht nur, daß sie ziemlich bitter schmeckte, zunächst bekam ich sie nicht mal mehr aus dem Topf, weshalb ich mich dann für Neukochen entschieden haben. Um den Topf aber nicht auch entsorgen zu müssen, schon weil schon Günter Grass Judith Hermann Peter Wawerzinek Milch Buttsuppe darin gekocht haben könnte, wandte ich die Backpulvermethode an, mit der ich auch schon verstopfte Abflüsse frei bekommen habe. Man streue den Inhalt eines Tütchens Backpulver in den Topf, fülle ihn halb voll mit Wasser und lasse dann das Ganze aufkochen. Bislang hatte ich dies nur mit leicht Angebranntem praktiziert, doch mein neues Essen im Nebentopf war noch nicht fertig, da stieg plötzlich etwas auf: Der Ex-Tomatensoßefladen. Und der Topf ist wieder der Alte, jedenfalls fast, nur ein paar Rückstände müssen noch weggeschrubbt werden. Allerdings riecht es im Haus noch etwas verbrannt. Ich hoffe, das geht wieder weg, das wäre keine Erinnerung an mich, die ich hier gerne zurücklassen würde.
Piraten auf dem Tegeler See
Deutschlandradio meldet – merkwürdigerweise nicht online – die mutmaßliche Entführung eines finnischen Containerschiffs in der Ostsee. Das sei „der erste Fall von Piraterie in einem europäischen Seegebiet seit Menschengedenken“. Jetzt mal ganz abgesehen von der Piraterie im Mittelmeer in der Antike, wo ja auch olle Julius in Gefangenschaft geriet, gab es auch im zwanzigsten Jahrhundert und sogar in unseren Breitengraden entsprechende Vorkommnisse. Aus einer total sicheren Quelle, man könnte auch von Hörensagen sprechen, weiß ich daß es Mitte der neunziger Jahre zu einem Piratenüberfall auf dem Tegeler See gekommen ist. Mithilfe eines Motorbootes wurde dabei ein Dampfer gekapert. Die Eindringlinge nahmen den Passagieren ihre Wertsachen ab und verschwanden wieder. Allerdings kamen sie nicht besonders weit, und so wurden sie von einem Berliner Gericht wegen Piraterie verurteilt.
Touristenalarm in Wewelsfleth
Eine Gruppe Klischeetouristen tapert die Dorfstraße entlang. Wie auch immer sie hierherkommen, sie passen nicht nach Wewelsfleth. Viel zu sehen gibt es hier sowieso nicht. Ich sitze mit Gerd Gedig, dem Leiter des Eulenhofes, vor dieser Einrichtung für Alkoholabhängige, und beobachte. Am Döblinhaus gegenüber gehen die Touristen achtlos vorüber, beim rechten Edeka rütteln sie vergebens an der Tür – Mittagspause. Weiterlesen
Krawattenhalter
Es gibt viele Anekdoten, aus dem Alfred-Döblin-Haus. Eine der seltsamsten hat H. P. Daniels in seinen Wewelsflether Halbwahrheiten überliefert. Demnach habe ein Autor im Bad neben dem Waschbecken einen Handtuchhalter abgeschraubt und in der Abstellkammer nebenan wieder angeschraubt, um seine Krawatten drüberzuhängen. Ich habe diese Geschichte nicht so recht verstanden, bis mir Achim neulich die Kammer neben dem Badezimmer unterm Dach gezeigt hat. Die ist leer, aber in der einen Ecke ist ein Handtuchhalter angebracht, irgendwie nutzlos. Vor allem, wenn man keine Krawatten trägt.
Heißenbüttels Grab
Das letzte Wohnhaus des Dichters Helmut Heißenbüttels habe ich hier ja schon gezeigt, doch sein Grab hatten wir damals auf dem benachbarten Friedhof nicht gefunden. Es befindet sich gleich neben dem Haus, ist aber leicht zu übersehen. Eine von Pflanzen eingerahmte Rasenfläche. An deren äußersten Rand sind helle Steine eingelassen, die sich beim genauen Hinsehen als Buchstaben erweisen. Eingelassen in die Erde steht dort Buchstabe für Buchstabe der Name des Verstorbenen:
Und unten links zeigt ein Stein sein Lebensdaten an. Beeindruckend. Die erste Grabstätte, die mir wirklich gefällt. Sie hat so etwas Demütiges, Bescheidenes. So könnt Ihr mich auch mal bestatten, später.
Nachtrag 2015
Am 7. Juni 2013 ist Ida Heißenbüttel gestorben. Sie wurde neben Helmut bestattet, weshalb das Grab inzwischen so aussieht:
Hutungeheuer
Irgendwie sind gerade alle weg, und ich bin ganz allein in diesem großen Haus. Vorhin habe ich mich tatsächlich mit dem Treppengeländer unterhalten. Es hält sich für ein verzaubertes Seeungeheuer und wollte eigentlich zum Strandbad hinterm Atomkraftwerk. Aber dann konnte es sich doch nicht aufraffen.
Neulich im Atomkraftwerk
Gestern waren wir im Atomkraftwerk Kernkraftwerk. Von ›Atomkraft‹ spricht hier niemand. Allenfalls Albert Einstein. In großen roten Lettern wird er an der Wand des Konferenzsaals im Besucherzentrum des Kraftwerks Brokdorf zitiert: »Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern, als ein Vorurteil!«
›Plutonium‹ wird ebenfalls nur ungern in den Mund genommen. ›Uran‹ aber ist okay. Uran ist schließlich ein Rohstoff und im Grunde ein heimischer Primärenergieträger, weil er sich prima bevorraten läßt. So ‘n Kilo Natururan hat den gleichen Energiegehalt wie 18.900 Kilogramm Steinkohle. Und den Platz braucht man ja auch erstmal. Oder Braunkohle! Weiterlesen
Wo ist Landschildkröte Hulda?
Nebenstehende Bekanntmachung entnehme ich der Wochenzeitung Dat Keesblatt ut Wilster vom heutigen Tag. Hier in Wewelsfleth wurde schon vor Wochen nach der Landschildkröte Hulda gefahndet. Den hier zu sehenden Aushang habe ich bereits am 22. Juni fotografiert.
Mich interessiert ja, ob das gefundene Fahrrad zu dem Fahrradschloß gehört und ob da vielleicht sogar ein Zusammenhang besteht. Zwischen Landscheide und Ecklak liegen nur knapp fünf Kilometer! Ich denke, ein Verbrechen kann nicht ausgeschlossen werden.
Aux Armes et Cætera
Tapferkeit und soldatische Ehre sind mir ziemlich fremd. Trotzdem beeindruckt mich die Konsequenz mancher Kriegshelden. Nehmen wir Michel Ney, Marschall unter Napoleon, der ihn le „brave des braves“, also den Tapfersten der Tapferen genannt haben soll. Für den kämpfte er bis zum Schluß. In der Schlacht bei Waterloo sollen ihm fünf Pferde unterm Arsch weggeschossen worden sein, zuletzt habe er zu Fuß gekämpft, in der Hoffnung, die Niederlage noch abzuwenden. Danach lehnte er ab, aus Frankreich zu fliehen und wurde wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 7. Dezember 1815 vollstreckt, doch das Kommando dazu soll er selbst gegeben haben. Wikipedia überliefert folgende Worte: „Soldaten, wenn ich den Feuerbefehl gebe, schießt auf mein Herz. Wartet auf den Befehl. Es wird der Letzte sein, den ich euch gebe. Ich protestiere gegen meine Verurteilung. Ich habe in hundert Schlachten für Frankreich gekämpft, aber nicht eine gegen es […] Soldaten schießt!“
Und – zur Feier des Tages – jetzt alle: Aux Armes et Cætera.